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Samstag, 7. Oktober 2017

Der Teppichkauf

Der Teppichkauf und die Stellvertretung sowie der Rücktritt werden unter Abgrenzung zum Werkvertrag dargestellt

Da gehe ich also letzte Woche ins Teppichgeschäft, um mir ein Stück Teppichboden zu kaufen. Dort hängen die verschiedenen Teppiche auf riesigen, vier Meter langen Rollen, die dann auf die exakten Maßzugeschnitten werden.Bedient werde ich von einem Verkäufer, der aussieht, als sei er gerade mal 15 Jahre alt. Ich gebe ihm meine Maßund mache klar, dass ich das Stück zugeschnitten und gekettelt (am Rand genäht, sodass keine Fasern getrennt werden) noch heute brauche, da ich sonst kein Auto für den Transport habe. Er verspricht mir, die Sache am Nachmittag abholen zu können.

Auf dem Nachhausweg stelle ich mir folgende Fragen:


Was ist die Rechtsnatur des Vertrags?

Stellt das Alter des Verkäufers ein Problem dar?

Kann ich vom Vertrag loskommen, wenn nicht rechtzeitig gekettelt wird?

Nachfolgen meine Gedanken, als ich mich durch den Stadtverkehr quäle:

1. Rechtsnatur


Zunächst könnte der geschätzte Leser auf die Idee kommen, dass es sich um einen Werkvertrag handelt. Immerhin hat man mir einen Erfolg versprochen, nämlich das gekettelte Produkt am Nachmittag.

Hier muss man jedoch eine Abgrenzung nach den Kriterien des Bundesgerichtshofs vornehmen. Solange es sich bei werkvertragliche Leistung um eine untergeordnete Nebenleistungspflicht handelt, unterliegt der Vertrag einheitlich den kaufrechtlichen Regelungen.

Entscheidend für die rechtliche Einordnung als Kaufvertrag, Werkvertrag oder typengemischter Vertrag ist, auf welcher der beiden Leistungsteile (Lieferung, Montage) der Schwerpunkt liegt.  Je mehr die Übertragung von Eigentum und Besitz auf den Kunden im Vordergrund steht und je weniger die individuellen Anforderungen des Kunden und die geschuldete Montageleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrages (mit Montageverpflichtung) geboten.

In meinem Beispiel bin ich vorwiegend an dem Erwerb des Teppichs interessiert und das Ketteln stellt lediglich eine Nebenleistung dar. Damit liegt ein Kaufvertrag vor.

Es ist auch kein Werklieferungsvertrag gegeben, da der Teppich ja bereits hergestellt auf der großen Rolle im Geschäft existiert und nur auf Maß geschnitten werden muss.

2. Vertragsschluss


Vielleicht könnte es ein Problem sein, dass der Verkäufer im Geschäft minderjährig ist. Da der Geschäftsinhaber ein anderer ist, reicht es aus, dass der Vertreter jedenfalls beschränkt geschäftsfähig ist, § 165 BGB.

Selbst wenn ich ihn für den Geschäftsinhaber halte, liegt doch ein unternehmensbezogenes Geschäft vor, bei welchem der wahre Inhaber verpflichtet wird. Die Offenkundigkeit ergibt sich hier konkludent, § 164 I 2 BGB, da der Vertrag in den Geschäftsräumen erfolgte.

Also sind beim Vertragsschluss keine Hindernisse gegeben.

3. Rücktritt


Nun zur Frage, ob ich vom Vertrag zurücktreten kann, wenn der Teppich am Nachmittag nicht gekettelt sein sollte.

Bei Vertragsschluss muss der Käufer nur deutlich machen, dass das Geschäft mit der vereinbarten Lieferzeit stehen und fallen soll. Dann wäre für einen Rücktritt keine Fristsetzung nötig (relatives Fixgeschäft). In einem solchen Fall liegt keine Unmöglichkeit vor, aber der Rücktritt ist nach § 323 I, II Nr. 2 BGB ohne Fristsetzung möglich. Die Leistung soll nach der Vereinbarung der Parteien innerhalb eines bestimmten Erfüllungszeitraumes erfolgen, sodass das Geschäft mit der Einhaltung des Leistungszeitraumes "stehen oder fallen soll". Dabei kommt der Leistungszeit jedoch kein derart die Leistung prägender Charakter zu, dass nach Ablauf des Erfüllungszeitraumes die Leistung nicht mehr nachholbar und damit unmöglich wird.

Auf meinen Fall bezogen, habe ich dem Verkäufer klar gemacht, dass ich nur heute das Auto für den Transport habe und an einer Lieferung am nächsten Tag kein Interesse habe. Zwar wäre der Einbau des Teppichs auch danach noch möglich, weshalb keine absolute Unmöglichkeit gegeben ist. Aber der Liefertermin ist erkennbar von so großer Bedeutung für mich, dass ich jedenfalls bei Nichtleistung ohne Fristsetzung zurücktreten kann. Damit fühle ich mich auf der sicheren Seite.

4. Fazit


Wer wirklich an der Juristerei interessiert ist, dem wird es im täglichen Leben sehr oft ähnlich ergehen. Man kann derartige Gedanken gar nicht mehr abstellen. Aber das ist auch gut so, denn das hilft beim Verstehen und Vertiefen der Problematik, weshalb der großen Punktzahl im Examen nichts mehr im Wege steht.






1 Kommentar:

  1. Ein sehr interessanter und lehrreicher Beitrag. Insbesondere die Übung von Abgrenzungskriterien für Verträge kann man problemlos in den Alltag übernehmen.

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